January 5, 2023

Coopetition – Fluch oder Segen?

Coopetition ist eine Geschäftsstrategie, die Elemente der Kooperation und des Konkurrenzkampfes kombiniert, um eine für beide Seiten vorteilhafte Beziehung zwischen Unternehmen zu schaffen - kann das gut gehen?

Was ist Coopetition?

Coopetition, auch bekannt als Co-opetition, ist ein Neologismus und beschreibt eine Geschäftsstrategie, die Kooperation und Wettbewerb zwischen zwei oder mehr Unternehmen beinhaltet. Sie kann definiert werden als "das gleichzeitige Verfolgen von Kooperations- und Wettbewerbszielen". Diese Art von Vereinbarung ist häufig in Branchen anzutreffen, in denen es ein hohes Maß an gegenseitiger Abhängigkeit zwischen Unternehmen gibt, wie z.B. in der Automobil- oder Luftfahrtindustrie. 

Coopetition nutzt die Spieltheorie, um zu verstehen, wann es für Konkurrenten vorteilhaft wäre, zusammenzuarbeiten. Sie kann eingesetzt werden, um eine Vielzahl von Zielen zu erreichen, z. B. die Erhöhung des Marktanteils, die Entwicklung neuer Produkte oder die Erschließung neuer Märkte. Coopetition kann eine effektive Strategie sein, wenn sie richtig eingesetzt wird. Auf dem Papier mag sie wie eine gute Idee erscheinen, aber in der Realität kann es schwierig sein, die beiden gegensätzlichen Ziele unter einen Hut zu bringen. Es kann auch riskant sein, wenn Unternehmen zu aggressiv konkurrieren oder es versäumen, bei Bedarf zu kooperieren.

Werfen wir einen Blick auf die Vor- und Nachteile.

Was sind die Vorteile von Coopetition?

Es gibt mehrere potenzielle Vorteile der Coopetition, darunter:

Höherer Marktanteil: Wenn Unternehmen zusammenarbeiten, können sie ihre Ressourcen bündeln und einen größeren Teil des Marktes erreichen. Das kann besonders auf Märkten von Vorteil sein, auf denen ein starker Wettbewerb herrscht.

Entwicklung neuer Produkte: Unternehmen können zusammenarbeiten, um neue Produkte oder Dienstleistungen zu entwickeln, die sie dann an ihren jeweiligen Kundenstamm verkaufen können. Dies kann Unternehmen helfen, mit den sich ändernden Marktanforderungen Schritt zu halten und der Konkurrenz einen Schritt voraus zu sein.

Förderung von Innovation: Wettbewerb kann zu Stagnation führen, während Zusammenarbeit Innovation fördern kann, da die Unternehmen neue Ideen austauschen und auf der Arbeit der anderen aufbauen können.

Höhere Effizienz: Die Zusammenarbeit kann zu einer höheren Effizienz führen, da die Unternehmen Ressourcen und Fachwissen gemeinsam nutzen. Das kann helfen, Kosten zu senken und die Qualität zu verbessern.

Kräfte bündeln: Durch Kooperationen können Unternehmen ihre Stärken und Ressourcen bündeln und so insgesamt wettbewerbsfähiger werden.

Verteilung der Arbeitsbelastung: Wettbewerb führt oft zu doppelter Arbeit, doch Kooperation kann helfen, die Arbeit effizienter zu verteilen.

Zugang zu ergänzenden Ressourcen: Ähnlich wie bei der Arbeitsteilung besteht ein weiterer gegenseitiger Vorteil der Zusammenarbeit darin, dass die Unternehmen auf Ressourcen zugreifen können, die sie allein vielleicht nicht beschaffen könnten.

Erschließung neuer Märkte: Unternehmen können zusammenarbeiten, um neue Märkte zu erschließen, die sie allein nicht erreichen könnten. So können sie ihr Geschäft ausweiten und neue Kunden gewinnen. Das bedeutet auch, dass kleinere Unternehmen zusammenarbeiten können, um im Wettbewerb mit größeren, etablierten Unternehmen besser bestehen zu können.

Welche Risiken und Herausforderungen birgt die Coopetition?

Die Liste der Risiken und Herausforderungen ist ebenso lang wie die der Vorteile, darunter:

Mangelndes Vertrauen: Vertrauen ist entscheidend für eine funktionierende Coopetition, da die Partner in der Lage sein müssen, Informationen auszutauschen und zusammenzuarbeiten, um ein erfolgreiches Joint Venture zu schaffen. Fehlt dieses Vertrauen, kann das zu Problemen wie Betrug, Diebstahl und anderem unethischen Verhalten führen.

Kannibalisierung: Dies ist ein weiteres Risiko der Coopetition, da die Partner möglicherweise gegeneinander konkurrieren, anstatt zu kooperieren. Das kann passieren, wenn die Ziele der Partner nicht übereinstimmen oder wenn einer der Partner das Gefühl hat, dass er einen besseren Deal bekommt als der andere.

Wettbewerbsspannungen: Es besteht immer die Gefahr, dass Unternehmen zu aggressiv miteinander konkurrieren, was zu Spannungen und Konflikten führen kann.

Koordinierung: Auch die Koordination ist wichtig, denn die Partner müssen sich auf Ziele, Strategien und Taktiken einigen können. 

Fokusverlust: Die Zusammenarbeit kann manchmal dazu führen, dass Unternehmen ihre Kernziele aus den Augen verlieren. Das kann zu Ineffizienz und einem allgemeinen Leistungsabfall führen.

Machtgefälle: Wenn Unternehmen zusammenarbeiten, besteht immer das Risiko, dass ein Unternehmen mehr Macht hat als das andere. Das kann zu unfairen Bedingungen und einem Verlust an Autonomie führen.

Abhängigkeit: Wenn man zu sehr auf Zusammenarbeit setzt, können Unternehmen voneinander abhängig werden, was problematisch sein kann, wenn die Beziehung zerbricht.

Ineffiziente Arbeitsabläufe: Passen die Unternehmen nicht auf, kann die Zusammenarbeit zu ineffizienten Arbeitsabläufen und einem Rückgang der Produktivität führen.

Verlust von Wettbewerbsvorteilen: Wenn Unternehmen kooperieren, laufen sie Gefahr, ihre Wettbewerbsvorteile zu verlieren, indem sie zum Beispiel Betriebsgeheimnisse teilen. Das kann problematisch werden, wenn die Zusammenarbeit scheitert und die Unternehmen wieder zu Konkurrenten werden.

Wie können Unternehmen die gegensätzlichen Ziele von Kooperation und Wettbewerb erfolgreich ausbalancieren? 

Es gibt einige Dinge, die Unternehmen beachten sollten, wenn sie Coopetition effektiv nutzen wollen:

1. Definieren Sie die Ziele der Zusammenarbeit unmissverständlich. Unternehmen sollten sich darüber im Klaren sein, was sie mit der Zusammenarbeit erreichen wollen. Andernfalls kann es passieren, dass sie gegeneinander konkurrieren, anstatt zu kooperieren. Sind die Ziele dagegen klar definiert, können Sie sicherstellen, dass alle Beteiligten an einem Strang ziehen und die Beziehung zielgerichtet bleibt.

2. Legen Sie Grundregeln fest: Es ist wichtig, Grundregeln für die Zusammenarbeit und den Wettbewerb aufzustellen. Dies wird ebenfalls dazu beitragen, Spannungen und Konflikte zwischen den Unternehmen zu vermeiden.

3. Legen Sie genauso die Grenzen für die Zusammenarbeit fest. Die Unternehmen sollten sich auf Grenzen der Zusammenarbeit einigen. Andernfalls könnten sie am Ende zu viele Informationen und Ressourcen gemeinsam nutzen, was zu einem Ungleichgewicht und einem Verlust von Wettbewerbsvorteilen führen kann.

4. Überwachen Sie die Leistung: Unternehmen sollten ihre Leistung regelmäßig überwachen, um sicherzustellen, dass die Coopetition die gewünschten Ergebnisse erzielt. Dies hilft, Probleme zu erkennen, die angegangen werden müssen. 

5. Seien Sie bereit, aus der Coopetition auszusteigen. Wenn die Ziele der Zusammenarbeit nicht erreicht werden, sollten die Unternehmen bereit sein, die Vereinbarung aufzugeben. Andernfalls kooperieren sie möglicherweise weiter, obwohl es für sie nicht von Vorteil ist. 

Welche Beispiele für Coopetition gibt es?

Es gibt eine Reihe von Beispielen für Coopetition in der Geschäftswelt. 

Wie diese Beispiele zeigen, kann Coopetition viele verschiedene Formen annehmen. In einigen Fällen arbeiten Unternehmen zusammen, um ein neues Produkt oder eine neue Dienstleistung zu entwickeln. In anderen Fällen kooperieren sie, um das Kundenerlebnis zu verbessern. Unabhängig davon, welche Form sie annimmt, kann Coopetition sowohl für Unternehmen als auch für Verbraucher und Verbraucherinnen ein Gewinn sein.

1. Die Automobilbranche ist ein klassisches Beispiel für Coopetition. Große Automobilhersteller arbeiten oft zusammen, um neue Technologien zu entwickeln und Kosten zu teilen, aber sie konkurrieren auch heftig auf dem Markt. 

2. Ein weiteres gutes Beispiel für Coopetition findet sich in der Luftfahrtindustrie. Airline-Allianzen wie Star Alliance und One World ermöglichen es den Mitgliedern, bei Dingen wie Marketing und Routenplanung zusammenzuarbeiten, während sie gleichzeitig bei Preis und Servicequalität miteinander konkurrieren. Die Fluggesellschaften betreiben auch Coopetition. Auch hier haben sich einige Fluggesellschaften zu Allianzen zusammengeschlossen, um den Passagieren bei der Buchung von Flügen mehr Auswahl zu bieten. Außerdem arbeiten die Fluggesellschaften oft zusammen, um Informationen über Verspätungen und Annullierungen auszutauschen. Durch die Zusammenarbeit können diese den Passagieren ein besseres Erlebnis bieten.

3. Die Mobiltelefonbranche ist ein weiteres Beispiel für erfolgreiche Coopetition. Obwohl zwischen den verschiedenen Marken ein intensiver Wettbewerb herrscht, arbeiten die Hersteller oft zusammen, um gemeinsame Standards für Dinge wie kabelloses Aufladen und Datenkonnektivität zu entwickeln oder Services anzubieten. 

Ein viel zitiertes Beispiel für eine erfolgreiche Coopetition ist die Kooperation zwischen Apple und Samsung. Hierbei macht Apple Filme und TV-Sendungen seiner iTunes-Plattform nun auch direkt auf Geräten anderer Hersteller verfügbar. Dazu gehört auch Samsung, der zu den Top-Konkurrenten im Mobiltelefon-Markt gehört.

(Abb. 1: Globale Smartphone-OEM-Auslieferungen, Counterpoint Research)

 

4. Auch die milliardenschwere Videospielindustrie ist ein gutes Beispiel dafür, wie Coopetition zu Innovationen führen kann. Obwohl die verschiedenen Spieleentwickler stark miteinander konkurrieren, arbeiten sie oft zusammen, um neue Spieltechnologien zu entwickeln und ein besseres Benutzererlebnis zu schaffen. 

5. Die Lebensmittelbranche ist ein weiteres Beispiel für Coopetition in der Praxis. Hier arbeiten verschiedene Anbieter oft zusammen, um neue Produkte zu entwickeln und die Standards für die Lebensmittelsicherheit zu verbessern. 

6. Ein bemerkenswertes Beispiel ist auch die Beziehung zwischen Apple und Microsoft. Die beiden Unternehmen waren in der Vergangenheit strenge Konkurrenten. 1997 stand Apple am Abgrund und Steve Jobs erkannte, dass Microsoft nicht der Feind war.  Für die hartgesottenen Apple-Fans war die direkte Zusammenarbeit nur schwer zu akzeptieren. Doch die Kooperation zahlte sich für beide Unternehmen aus und hat viele neue Nutzer:innen für Apple beschert, die auf Microsoft Office angewiesen waren. So arbeiteten die beiden Unternehmen auch 2012 zusammen, um eine Version von Microsoft Office für das iPad zu entwickeln. Speziell für das iPad war dies ein seltenes Beispiel für die Zusammenarbeit der beiden Unternehmen, aber es zeigte, dass sie bereit waren, zu kooperieren, um den Verbraucherinnen und Verbrauchern ein besseres Produkt zu bieten.

 

Was sind Beispiele für Coopetition in Deutschland?

BMW und Daimler

Ein bekanntes Beispiel für Coopetition in Deutschland ist die Beziehung zwischen BMW und Daimler. Beide arbeiten bereits seit den frühen 1990er Jahren bei der Entwicklung neuer Technologien zusammen. Im Jahr 2012 kündigten sie eine Partnerschaft zur Entwicklung einer neuen Motorengeneration an. Die beiden Unternehmen kooperieren auch in den Bereichen Sicherheit, Einkauf und Logistik. Im Jahre 2019 folgte der nächste Schritt: Daimler und BMW verbündeten sich zu fünf Mobilitätsmarken. Dies war ein Joint Venture zur Mobilität der Zukunft im Zusammenschluss mit

  • Share Now (Carsharing)
  • Park Now (Parken)
  • Free Now (Mobilität)
  • Charge Now (Ladenetzwerk für E-Mobilität)
  • Reach Now (später Drive Now und jetzt Share Now)

Hintergrund ist, dass gerade junge Menschen häufig kein Auto besitzen, sondern Mobilität erleben wollen – und das haben Daimler und BMW gut verstanden. Aufgrund der Konkurrenz auf nationalen und internationalen Level müssen Anbieter schnell skalieren, um Marktanteile zu sichern. Die Zusammenschluss der beiden Autohersteller und die Mobilitätsmarken bieten damit die besten Chancen.

Deutsche Telekom und Vodafone

Auch im Mobilfunkbereich arbeiten deutsche Top-Player zusammen. Die Telekom und die Vodafone GmbH haben einen Vertrag über eine langjährige Zusammenarbeit im Festnetz unterzeichnet. Dabei wurde der bestehende Vertrag um zehn Jahre verlängert und um FTTH (Highspeed-Glasfasernetze) ausgeweitet. Diese Kooperation stärkt die Fest- und Mobilfunknetze durch eine erhöhte Netzauslastung und einen erweiterten Glasfaser-Ausbau. "Damit kann die Telekom langfristig die Auslastung ihrer Netze zusichern, während Vodafone zu attraktiven Konditionen auf dem Netz der Telekom vermarkten kann." Die Kundinnen und Kunden freuen sich in beiden Fällen.

 

Was kann von Coopetition erwartet werden?

Coopetition ist eine Geschäftsstrategie, bei der Unternehmen zusammenarbeiten, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. In den meisten Fällen ist die Coopetition für beide beteiligten Unternehmen von Vorteil, da sie Ressourcen und Wissen gemeinsam nutzen können. Voraussetzung ist jedoch der richtige Umgang mit Coopetition.

Das bedeutet, die Verantwortlichen müssen ein “Coopetition-Mindset” mitbringen und dieses auch konsequent durchsetzen. Eine Zusammenarbeit mit Konkurrenten hat auch einen wichtigen emotionalen Aspekt. Manche Menschen können sich mit dem Gedanken anfreunden, dass es mehrere Gewinner geben kann, andere nicht.

Selbst ein oftmals despotischer Steve Jobs hatte erkannt, dass es nicht ohne den Erzfeind Bill Gates und Microsoft funktionieren würde. Menschen, die auf so einem hohen Level spielen, müssen selten klein beigeben, deswegen ist es umso schwerer, wenn sie von ihrem hohen Ross absteigen müssen. Hier ist eine hohe emotionale Stabilität und Intelligenz vonnöten, um eine dauerhafte Kooperation mit der Konkurrenz einzugehen.

Wenn sie richtig gemacht wird, kann eine Coopetition allen beteiligten Unternehmen helfen, ihre Ziele schneller und effektiver zu erreichen. Aus diesen Gründen ist Coopetition eine Strategie, die immer beliebter wird. Und in gewissen Bereichen wird sie auch unumgänglich werden.

Coopetition ist eine Geschäftsstrategie, die Elemente der Kooperation und des Konkurrenzkampfes kombiniert, um eine für beide Seiten vorteilhafte Beziehung zwischen Unternehmen zu schaffen - kann das gut gehen?
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