August 2, 2023

Schafft KI mehr Arbeitsplätze, als sie vernichtet?

In der Morgendämmerung des digitalen Zeitalters steht eine Frage im Zentrum unseres kollektiven Bewusstseins – die Frage nach der künstlichen Intelligenz (KI) und ihren Auswirkungen auf unsere Arbeitswelt.

In der Morgendämmerung des digitalen Zeitalters steht eine Frage im Zentrum unseres kollektiven Bewusstseins – die Frage nach der künstlichen Intelligenz (KI) und ihren Auswirkungen auf unsere Arbeitswelt. Da wir am Anfang der vierten industriellen Revolution stehen, müssen wir jetzt klären: Schafft KI mehr Arbeitsplätze, als sie vernichtet? Diese Frage hat sich die Menschheit vor jeder technischen Revolution oder Innovationsphase stellen müssen – und bisher ist es relativ gut verlaufen. Die Herausforderung bei der KI ist jedoch, dass diese Entwicklung nicht linear verläuft, sondern exponentiell. Und wir Menschen sind notorisch schlecht darin, exponentiell zu denken.

Bei unserer Erkundung werden wir durch den Irrgarten der künstlichen Intelligenz navigieren, welche traditionelle Rollen auslöschen und gleichzeitig neue schaffen wird. Ein Zwiespalt sowie ein ebenso faszinierendes wie besorgniserregendes Paradoxon. Fangen wir mit dem Status Quo an.

Der Einschlag von KI in der Arbeitswelt

Künstliche Intelligenz durchdringt heute alle Facetten unseres Lebens. Und das in vielen Bereichen bereits länger, als wir dachten: von Sprachassistenten wie Siri oder Alexa über Chatbots und Navigationsprogrammen bis hin zu Algorithmen zur Vorhersage, egal ob Markttrends oder Kaufverhalten – KI ist kein fernes Konzept mehr, sondern längst Bestandteil unserer Realität. Doch mit der Veröffentlichung von ChatGPT im Nov 2022 (und allen folgenden öffentlichen KI-Anwendungen) entwickeln sich die Anwendungen dieser Technologie in einem noch nie dagewesenen Tempo weiter – und das erzeugt eine rasante Störungswelle, die für eine erhebliche Disruption auf dem Arbeitsmarkt sorgt. Auch im Recruiting.

Der Arbeitsmarkt folgt seit jeher den Strömungen von Technologie und Innovation, so auch der KI. Traditionelle Tätigkeiten werden automatisiert, Aufgaben werden überflüssig und ganze Branchen wandeln sich. Und hier setzen Anwendungen wie ChatGPT, Midjourney, Dall-E und GitHub Copilot an: Copywriting, Marketing, Programmierung oder Grafikdesign – es vollzieht sich gerade eine monumentale Verschiebung in diesen Branchen. Doch wie jede Technologie ist auch KI ein zweischneidiges Schwert, das alte Arbeitsplätze und -Methoden vernichtet und gleichzeitig neue schafft. An diesem Scheideweg ist es wichtig, beide Seiten der Medaille zu betrachten. Befassen wir uns zunächst mit der dunklen Seite und untersuchen, wie KI Arbeitsplätze abbaut.

Die dunkle Seite der KI - Arbeitsplatzvernichtung

Auf unserem Weg durch die digitale Landschaft stoßen wir auf den Schatten, den KI auf den Arbeitsmarkt wirft – das Gespenst der Arbeitsplatzvernichtung. Die durch KI angetriebene Automatisierung ersetzt menschliche Arbeit in einer Vielzahl von Branchen. Von Fließbändern in der Produktion bis hin zu immer besser werdenden Chatbots im Kundenservice – KI erweist sich als ein hervorragender Ersatz für Aufgaben, die früher von Menschen erledigt wurden.

Auch Angestelltenberufe, die früher als immun gegen die Automatisierung galten, geraten ins Wanken. Hierzu gehören unter anderem Callcenter-Arbeit, Buchhaltung, Sachbearbeitung, Kundenservice, Sekretariat und einiges mehr. Ausgefeilte Algorithmen sind jetzt in der Lage, Berichte zu erstellen, Daten zu analysieren und Entscheidungen zu treffen – Aufgaben, die früher ausschließlich qualifizierten Fachkräften vorbehalten waren. Und das trifft an dieser Stelle ganz besonders das mittlere Management, die genau diese Tätigkeiten meistern müssen.

Weiterhin sind, wie bereits genannt, kreative Fähigkeiten wie Copywriting, Marketing, Programmierung oder Grafikdesign im Visier der künstlichen Intelligenz und erzeugen in diesen Bereichen oftmals vorzeigbare Ergebnisse. Und wir alle glaubten, dass Kreativität die letzte Bastion der Menschen gegenüber der künstlichen Intelligenz sei.

Die Auswirkungen sind unverkennbar tiefgreifend. Während die KI ihren unaufhaltsamen Vormarsch fortsetzt, geht das Gespenst der Arbeitsplatzvernichtung um und wirft einen langen Schatten auf die Arbeitskräfte. Aber ist das das ganze Bild? Mitnichten. Denn jeder Schatten hat auch eine Lichtquelle – in diesem Falle die Schaffung neuer Arbeitsplätze im Zuge der KI-Welle.

Die gute Seite der KI: Erschaffung von Arbeitsplätzen

Während die Bedrohung von Sicherheit (=Vernichtung von Arbeitsplätzen) eine urmenschliche Angst ist, sieht die Realität ein wenig rosiger aus: Es werden neue Arbeitsplätze geschaffen. Und damit mehr als die, die wegfallen. Das World Economic Forum (WEF) schätzte 2020, dass bis 2025 12 Millionen mehr Arbeitsplätze geschaffen als vernichtet werden (s. Abb 2).

Auch der Deutsche-Bank-Ökonom Jim Reid stimmt hier ein und verweist auf unsere Geschichte: „Die Geschichte lehrt uns jedoch, dass Technologie nicht zu Arbeitslosigkeit führt“. Abbildung 1 verdeutlicht, dass die Arbeitslosigkeit in Abhängigkeit von Konjunkturzyklen und nicht von technologischen Wellen schwankt.

(Abb 1:  Arbeitslosigkeit in Abhängigkeit von Konjunkturzyklen, DE Research via BusinessInsider)

Denken wir an den Aufstieg von Datenwissenschaft, KI-Ethik oder Ingenieurswesen für maschinelles Lernen – Berufe, die es vor ein paar Jahrzehnten noch gar nicht gab. Diese Berufe sind das Ergebnis der KI-Revolution und erfordern ein tiefes Verständnis von KI und ihren Anwendungen. Da Unternehmen zunehmend KI einsetzen, steigt auch die Nachfrage nach Fachkräften, die die Kluft zwischen Technologie und Geschäftsstrategie überbrücken können – ein weiterer Beweis für das Potenzial von KI, Arbeitsplätze zu schaffen.

Die Entstehung der gerade genannten Arbeitsplätze war vorauszusehen. Darüber hinaus schafft die KI aber auch indirekt neue Arbeitsplätze. Durch die Automatisierung von Routineaufgaben werden menschliche Arbeitskräfte frei, die sich auf komplexere, kreativere und letztendlich erfüllendere Aufgaben konzentrieren können. Dieser Wandel führt zur Schaffung von Arbeitsplätzen, bei denen es auf einzigartige menschliche Fähigkeiten wie emotionale Intelligenz, Kreativität und komplexe Problemlösungen ankommt. Und das meist in Kombination mit KI-Tools.

(Abb 2: Neue Jobs bis 2025, WEF)

Auf Wiedersehen Fachkräftemangel?

Es gibt noch einen weiteren zuversichtlichen Aspekt in Bezug auf den Fachkräftemangel, der besonders in der IT in Deutschland erschreckende Rekorde erzielt. Denn unbesetzte Stellen sind teuer. Die Deutsche Bank rechnet damit, dass KI die  Fachkräftelücke schließen kann. Zumindest kurzfristig. Durch den Einsatz von KI wird Programmierung erheblich erleichtert und somit werden Angestellte wesentlich produktiver. Allerdings steckt KI im Bereich Programmierung noch in den Kinderschuhen und erzeugt häufig Code, der nicht funktioniert. Auf der anderen Seite sagen Leute wie der Stability AI CEO Emad Mostaque: “In fünf Jahren wird es keine (menschlichen) Programmierer:innen mehr geben”.

Auch in Bereichen wie der Pflege und dem Gesundheitssystem kann KI dem häufig überforderten Personal unter die Arme greifen und administrative Aufgaben auf ein Minimum reduzieren. Das bedeutet, die Entlastung in allen gefragten Berufen führt zu einer Verminderung des Fachkräftemangels.

(Abb 3: Berufe mit den größten Fachkräftelücken, Deutsche Bank)

Diese positiven Seiten der KI sind jedoch nicht ohne Herausforderungen, was auch aus der Abbildung 2 ersichtlich wird. Befassen wir uns daher als nächstes mit der wichtigen Frage: Welche Fähigkeiten brauchen Menschen in einem KI-gesteuerten Arbeitsmarkt, um erfolgreich zu sein? Die Antwort auf diese Frage offenbart eine weitere Facette, eine, die die Bedeutung der Anpassungsfähigkeit im Zeitalter der KI unterstreicht.

Erfolgreich in einer KI-Welt: Das neue Skillset

Auf dem großen Schachbrett des KI-gesteuerten Arbeitsmarktes sind Menschen keine bloßen Schachfiguren, sondern aktive Spielerinnen und Spieler, die mit einzigartigen Fähigkeiten ausgestattet sind. Und es geht darum, diese Eigenschaften voll auszuspielen.

In dieser neuen Weltordnung sind technische Fähigkeiten, die mit KI und Datenanalyse zu tun haben, wenig überraschend von großem Wert. Doch genauso wichtig sind aber jetzt auch die "weichen" Fähigkeiten – Kreativität, emotionale Intelligenz, kritisches Denken und komplexe Problemlösungen. Das sind Fähigkeiten, die zumindest auf absehbare Zeit einzigartig menschlich bleiben und die in einer KI-gesteuerten Welt zunehmend gefragt sind. Und laut WEF führen diese Fähigkeiten auch die Rangliste der gefragtesten Skills der Zukunft an (s. nachfolgende Abbildung 4). Und das ist die große Chance für viele Menschen, denen die technischen Aspekte weniger zusagen.

(Abb 4: Top 10 Fähigkeiten 2025, WEF)

Die steile Entwicklung der KI stellt jedoch eine weitere Herausforderung dar – die Notwendigkeit des ständigen Lernens und der Anpassungsfähigkeit und Resilienz. So wie sich die KI weiterentwickelt, müssen auch unsere Fähigkeiten wachsen. Lebenslanges Lernen, einst ein hehres Ziel, ist heute eine Überlebensstrategie auf dem KI-gesteuerten Arbeitsmarkt. Außerdem werden Menschen, die sich nicht mit KI auseinandersetzen, weitestgehend beruflich von den Menschen ersetzt, die das tun.

Aber was bedeutet das für die Gesellschaft im Allgemeinen? Im nächsten Kapitel werden wir uns mit den Auswirkungen der KI auf die Arbeitswelt befassen, und zwar nicht nur auf den Einzelnen, sondern auch auf die Gesellschaft.

Der Welleneffekt der KI: Die gesellschaftlichen Auswirkungen

Die Auswirkungen der KI gehen weit über die Grenzen des Arbeitsmarktes hinaus und wirken auch auf die Gesellschaft als Ganzes. In dem Maße, wie KI die Arbeitswelt umgestaltet, bringt sie auch die gesellschaftlichen Normen und Strukturen ins Wanken.

Eine der wichtigsten gesellschaftlichen Auswirkungen der KI ist die wirtschaftliche Ungleichheit. Wenn KI Arbeitsplätze automatisiert, insbesondere gering qualifizierte, besteht die Gefahr, dass sich die Kluft zwischen Arm und Reich vergrößert. Diejenigen, die über die Fähigkeiten verfügen, auf einem KI-gesteuerten Arbeitsmarkt erfolgreich zu sein, könnten ihren Reichtum vergrößern, während diejenigen, deren Arbeit automatisiert wird, mit Arbeitslosigkeit und finanzieller Not konfrontiert werden könnten.

Daher ist es wichtig, dass die Politik Maßnahmen ergreift, um die negativen Auswirkungen der Einführung von KI abzufedern. Dazu gehören vor allem Maßnahmen zur Qualifizierung der Arbeitnehmenden und zur Unterstützung von Angestellten, die durch KI ihren Arbeitsplatz verlieren. Auch Themen wie das bedingungslose Grundeinkommen aufgrund von KI bekommen neuen Wind.

Die Zukunft von KI, Arbeitsplatz und Gesellschaft

Wir stellen fest, dass es im Universum der KI nicht nur um Arbeitsplätze geht. Es ist ein Spiegelbild unserer Gesellschaft, unserer Werte und unserer Vision für die Zukunft.
Bei der Navigation durch diese KI-Landschaft ist es wichtig, sich daran zu erinnern, dass wir nicht nur zuschauen, sondern auch aktiv daran teilnehmen. Künstliche Intelligenz ist ein Thema, das alle Bereiche erfassen wird. Die Politik muss aktiv werden – doch vor allem müssen auch wir selbst aktiv dem Wandel begegnen.

Dieser Wandel ist ungewiss, aber verspricht dennoch eine positive und spannende Zukunft. Die Geschichte lehrt uns, dass auch diese technologische Revolution zu meistern ist, ohne großen Schaden anzurichten. Wichtig für uns ist es, unsere Anpassungsfähigkeit aufrechtzuerhalten – denn diese Fähigkeit hat uns durch gut 300.000 Jahre Menschheitsgeschichte gebracht.

In der Morgendämmerung des digitalen Zeitalters steht eine Frage im Zentrum unseres kollektiven Bewusstseins – die Frage nach der künstlichen Intelligenz (KI) und ihren Auswirkungen auf unsere Arbeitswelt.
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